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5.12.2009

Trialogue Trialog Trialogue

The Historicty of Understanding
Die Historizität des Verstehens
L’historicité de la compréhension

Arbogast Schmitt, Selbständigkeit in Abhängigkeit. Über das Selbstverständnis des Menschen in der klassischen griechischen Literatur und Philosophie

Einige Auszüge :

”Die Überzeugung, erst die Neuzeit habe, vorbereitet durch die vom Christentum vollzogene Wendung in die subjektive Innerlichkeit, die autonome Selbständigkeit der Vernunft des Menschen entdeckt, läßt die Antike insgesamt als eine bloße Vorstufe freier Sittlichkeit erscheinen. / Die Tatsache, daß es in der antiken Literatur und Philosophie nicht zu einer Reflexion auf ein subjektives Vermögen des Menschen gekommen ist, durch das sich der Mensch, frei von allen äußeren und inneren Determinanten, als alleiniger Ursprung seines Handelns weiß, wird als Indiz dafür genommen, daß der antike Mensch auf eine substantielle Weise noch in heteronomer Abhängigkeit gelebt habe. / Wie nicht selten in der Beschreibung historischer Epochenunterschiede wird aber auch hier mit zu grobem Maß gemessen und eine bloße Akzentverschiebung in der Beurteilung der Handlungsbedingungen des Menschen so ausgelegt, als ob das, was den uns gewohnten Akzent nicht hat, gar nicht vorhanden sei. Denn die Antike hat zwar tatsächlich bis zur Stoa niemals den Versuch gemacht, ein Prinzip im Menschen aufzuspüren, durch das er, allen Formen innerer und äußerer Handlungsdetermination enthoben, allein aus sich selbst Ursprung seines Handelns und Entscheidens sein könnte, sie hat aber sehr wohl und sehr intensiv den Aspekt am Gesamtkomplex menschlichen Handelns zu unterscheiden versucht, von dem her der Mensch die freie, sittlich relevante Verantwortung für sein Handeln hat. Diese Freiheit des Handelns wird lediglich nicht auf ein abstrakt-allgemeines Entscheidungsbewußtsein zurückgeführt, sondern sie wird gleichsam ausgemessen im Abschreiten der dem Menschen gesetzten Grenzen. Dies ist der eigentliche Sinn des delphischen « Erkenne dich selbst ». Das meint nicht eine eitle Selbstbespiegelung des Subjekts, sondern die Anerkennung, daß nur die umfassende Erkenntnis der – äußeren und inneren – Bereiche, in denen der Mensch nicht frei ist, es möglich macht, den schmalen Pfad ausfindig zu machen, auf dem der Mensch im Geflecht der Ursachen von sich aus frei zu gehen vermag.”

”Überhaupt ist die griechische Tragödie keine moralische Anstalt im Sinn der Aufklärung. / Ihr Sinn liegt nicht in der Vorführung abschreckender Beispiele, wohin Jähzorn, Eifersucht, Liebesleidenschaft usw. führen können. Diesem Zweck dient sie sogar denkbar schlecht. Denn sie schafft durch die Ungeheuerlichkeit der Ansprüche, denen sie den Menschen ausgesetzt zeigt, geradezu Verständnis für diese Affekte. Wer wird die beckmesserische Arroganz aufbringen, Theseus vorzurechnen, er hätte sich über den Selbstmord seiner Frau nicht erregen, wer könnte Phaidra den Rat geben, sie hätte sich nicht so heftig verlieben dürfen?”

”Einer der eindrucksvollen Erkenntnisgewinne dieser tragischen Psychologie ist der bei allen drei Tragikern, aber besonders bei Euripides immer wieder dargestellte Sachverhalt, daß die Blindheit der Leidenschaft gar nicht in ihrer Unbewußtheit liegt, sondern in der Abstraktheit ihres Räsonierens, weil sie durch die Fixiertheit des Blicks auf gleichsam einen Punkt die unterschiedlichsten Erfahrungen in ein und dasselbe – positive oder negative – Licht taucht und nur noch in dieser Beleuchtung zu bewerten in der Lage ist.”

 

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